Projektcoaching 2.0

Noch gelten Projekte als das Mittel der Wahl, um Veränderungen über mehrere Berufsgruppen und Bereiche effektiv zu gestalten. Beim gemeinsamen Aufbau seines Klinikmanagements fragte uns ein querdenkender Chefarzt, ob es denn wirklich eine Projektorganisation brauche oder die Weiterentwicklung der Prozessorganisation nachhaltig nicht auch in der bestehenden Struktur effektiv möglich sei. Warum eine Schattenorganisation schaffen, wenn das ganze System – in dem Fall seine Abteilung - für Weiterentwicklung empfänglich sei (und noch dazu der Chefarzt selbst ein Vorbild für gute Prozessorganisation ist)? Die Frage hat uns überzeugt und dazu bewogen, mit der Klinik einen ganz individuellen Weg in der Veränderungsbegleitung zu gehen.  

The people who are crazy enough to think they can change the world are the ones who do.
(Steve Jobs, “Think Different” Commercial, 1997)   

Wie entwickeln sich Organisationen kontinuierlicher, flexibler, vernetzter weiter?
Statt Energie in die Zweitwelt einer Projektorganisation zu stecken, galt zu überlegen, wie es möglich ist, Veränderungskraft genauso wirksam in die Linienorganisation selbst zu legen. Die Frage, die sich dahinter verbirgt, ist: (Wie) kann es gelingen, bereichsübergreifende Zusammenarbeit und netzwerkorientiertes Prozessmanagement nicht nur in Teams oder einzelnen Unternehmensbereichen, sondern im Gesamtgefüge auf Organisationsebene zu etablieren? Dazu wurden für die Entwicklung des Klinikmanagements folgende Grundannahmen der künftigen Zusammenarbeit – man mag es auch Vision nennen - getroffen:

  • Der Einzelne denkt im Sinne des Ganzen. Sei es auf Makroebene der Klinik oder auf der Mikroebene der Patientenbehandlung.
  • Perfekte Zustände im Klinikalltag sind die Ausnahme. Ein Team entfaltet seine unverwechselbare Stärke im Zusammenspiel durch gegenseitige Ergänzung von Verbesserungspotenzialen. Gerade also auch im flexiblen souveränen Umgang mit immer neuen Stolpersteinen.
  • Übergreifende Themen fordern übergreifende Lösungen. Je nach Fragestellung finden agil zusammengesetzte Teams in der Regel bessere Lösungen als Einzelpersonen. Durch die unmittelbare Beteiligung des Chefarztes an den Themenentwicklungen bahnen sich kurze hierarchische Wege in puncto Prozessorganisation, die sachliche Auseinandersetzung und Mitgestaltungsspielräume fördern.   

Um den Teamdialog zu fördern, bildeten wir Arbeitszirkel. Diese übernehmen die praktische Rolle von Vordenkern in der Abteilung und erarbeiten in der Tat in kürzester Zeit gemeinsam gut abgestimmte Ablaufmodelle.

Doch das ist nur ein Teil der Arbeit in der Organisationsentwicklung. Die noch größere Sorgfalt wird dann im zweiten Schritt auf die Motivationswelten der Mitarbeiter gelegt und deren Rolle bedarfs- und bedürfnisorientiert im künftigen Organisationsgefüge herausgearbeitet. Und anschließend in Praxistests erprobt. Ein Ergebnis dieser Einbindung  wird am Ende sein, dass sich Führungsaufgaben neu auf mehrere Schultern verteilen. Wer neben seiner Fachexpertise Leitung sein will, muss „leiten und anleiten wollen“ und diesen Anspruch auch nachweislich mit Leben füllen.

Fach-, Organisations- und Führungsaufgaben müssen in einem netzwerkorientierten Organisationssystem nicht zwingend in der gleichen Person zusammenfallen. Dies kommt einer großangelegten Teamentwicklung über alle Bereiche und Berufsgruppen gleich und es ist einsichtig: Die Neuverteilung der Verantwortung und Abstimmung der organisatorischen Abläufe braucht vor allem eines: Zeit. Organisation entwickelt sich in kontinuierlichen kleinen Schritten, bei denen jeder die Chance hat, folgen zu können, aber strikt und konsequent in Richtung des angestrebten Ziels.  

Ergebnis des Klinikmanagements: Es zählt der Prozess und der Mensch
Das Bemühen um Mitnehmen jedes einzelnen Mitarbeiters in der Abteilung ist beeindruckend. Beeindruckend, weil nicht fassbar ist, dass ein einzelner Mensch eine so unermüdliche Motivation mitbringt, eine Welt nach seinem Ideal zu schaffen, in der jeder im Team seinen Platz, seine stimmige Rolle, finden kann. Mitarbeiter aller Berufsgruppen werden gefördert, die für ihre Arbeit brennen, ihre Stärken einbringen und ihre professionelle Rolle im Sinne des Ganzen ausfüllen. Der Leistungsanspruch ist trotz der individuellen Unterstützung der Mitarbeiter keinesfalls geringer – eher im Gegenteil.  Keiner wird aufgegeben, ohne eine faire Chance erhalten zu haben, sich mit der Organisation weiterzuentwickeln. Das ist unser erstes erfreuliches Zwischenresultat nach 9 Monaten in der Begleitung des Klinikmanagements. Das Resultat sollte sich darin zeigen, dass langfristig in 5-7 Jahren aus einer Abteilung mit „alteingesessenen“ Mitarbeitern eine völlig neue Teamkultur mit hohem Leistungswillen und Exzellenzanspruch entstanden ist. Wir würden darauf jedenfalls fest wetten.

Um die Eingangsfrage aufzulösen: Wir sind und bleiben von der Effektivität guter Projektarbeit überzeugt. Was mehr als alles andere bei der Projektarbeit den nachhaltigen Erfolg ausmacht, sind die Menschen, die mit Klarheit und Empathie das Ziel zu ihrem persönlichen Anliegen machen. Das netzwerkorientierte Arbeiten mit kurzen Entscheidungswegen fördert das zügige Vorankommen in der Veränderung ebenso wie die Konzentration auf den Projektfokus. Genau dieses Arbeiten ist es aber, was künftig auch in der Prozessorganisation immer mehr gebraucht wird.  Es schafft flexiblere Organisationsformen. Weil das Denken in Berufsgruppengrenzen und Bereichsinteressen  gegenüber dem gemeinsamen Ziel für die Sache ein wesentlicher Erfolgsverhinderer ist, lässt sich in der Alltagsorganisation  nämlich jede Menge von der Projektarbeit lernen.   

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