Newsletter Oktober 2011


Sehr geehrte Damen und Herren,

in unserer Projektarbeit im Krankenhaus erleben wir immer wieder, dass Vorbehalte, alte Rollenbilder und Vorurteile der Berufsgruppen, aber auch der einzelnen Fachdisziplinen untereinander zu Abwertung, Abgrenzung und Konflikten führen. Ein interdisziplinäres und professionelles Team zu steuern, birgt daher eine besondere Herausforderung für ein erfolgreiches Projektmanagement. Gleichzeitig ist eine abteilungs- und berufsgruppenübergreifende Besetzung ein Erfolgsgarant für ganzheitliche, kreative und insbesondere von allen getragene Lösungen. Zu den häufigsten Gründen, warum Projekte scheitern gehören mangelnde Kommunikation, Wertschätzung und Konfliktfähigkeit im Team. Friedemann Schulz von Thun hat ein sehr hilfreiches und einfaches Modell entwickelt, um abwertende Kommunikationsmuster zu erkennen und aufzulösen. Das möchte ich Ihnen heute gerne vorstellen.

Stellen Sie sich dazu zwei Familien vor, die zeitgleich in die Doppelhaushälften eines Hauses ziehen. Die eine Familie, wir nennen sie Schulz, hat den Umzug von langer Hand vorbereitet, alle Kartons sind mit Inhalt und Zielraum beschriftet. Pünktlich kommt der Umzugswagen, nichts wird dem Zufall überlassen und innerhalb von zwei Tagen ist die Wohnung eingerichtet, der Garten vom ersten Unkraut befreit und die Kartons ordentlich im Keller verstaut. Die andere Familie, die Wagners, haben noch am Umzugsmorgen die letzten Kisten verpackt. Nichts ist geplant, die Freunde trudeln ein und es beginnt ein buntes Drunter und Drüber. Am Abend stehen noch die Kisten in den Räumen, doch sind die Kerzen ausgepackt, Musik läuft und es wird mit den Freunden eine kleine Spontanfeier gestartet. Das Auspacken der Kisten dauert noch Wochen, dafür finden sich kreative Wohnideen in allen Räumen und es herrscht ein gemütliches Durcheinander. Natürlich sind die Schulzes und die Wagners sich nicht ganz grün. Die Schulzes sind wenig erfreut über den Chaoten-Clan, der da nebenan eingezogen ist. Die Wagners stören sich an den Pedanten von nebenan mit ihrem Ordnungswahn.

Friedemann Schulz von Thun liefert mit seinem Wertequadrat ein Metamodell, um solche Abgrenzungen umzudeuten und aufzuheben. In seinem Wertequadrat existiert zu jedem Wert ein Gegenwert. Der Gegenwert ist also auch eine Qualität. Das sieht jedoch der „Wert-Träger“ meistens nicht so. Wenn man einen Wert hat, hat man den Gegenwert in der Regel nicht. Daher ergänzen sich die beiden. Zu Wert und Gegenwert gibt es nach Schulz von Thun eine negative Übertreibung. Nehmen wir hier noch mal das Beispiel der Schulzes und Wagners.


Quelle: Schulz von Thun, Friedemann: Miteinander reden 3: Das „Innere Team“ und situationsgerechte Kommunikation. Reinbek 1998.

 

Familie Schulz ist strukturiert und detailgenau. Die Wagners dagegen eher kreativ und inspirierend. Gesamt gesehen sind das also sich ergänzende Eigenschaften. In der negativen Übertreibung werfen die Schulzes den Wagners jedoch vor, sie seien chaotisch, und die Wagners halten die Schulzes für pedantisch. Nicht gesehen wird, welcher Gegenwert sich dahinter verbirgt. So kann die Familie Schulz von den Wagners lernen, dass nach einem streng durchorganisierten Umzug eine kleine Feier zum Genießen der neuen Räume beitragen kann. Im Gegenzug kann Familie Wagner von den Schulzes lernen, dass ein etwas geordneterer Umzug Zeit spart, um ausgiebig den Einzug feiern zu können.

Im Krankenhaus erleben wir oft Kommunikation in der „negativen Übertreibung“. Für Führungskräfte ist es wichtig, hierfür ein Gehör zu entwickeln und die Mitarbeiter einzuladen, den Gegenwert als Ergänzung anzuerkennen. Das Modell von Friedemann Schulz von Thun hilft zur eigenen Orientierung und kann zudem auch in den jeweiligen Konfliktsituationen direkt dargestellt und angewendet werden. Probieren Sie es selbst einmal aus.

Im Namen des gesamten Ruhl Consulting-Teams wünsche ich Ihnen viel Spaß und spannende Erkenntnisse beim weiteren Lesen des Newsletters.

Stefan Ruhl
(Vorstand Ruhl Consulting AG)