Was funktionsfähige Teams ausmacht - nach Peter Drucker

Liebe Leser,

der aus Österreich stammender US-Ökonom Peter F. Drucker gilt seit den 1940er Jahren als der Pionier der modernen Managementlehre. Gerne wird er als „the man who invented management“ oder „Der Guru der Management-Gurus“ tituliert. Neben zahlreichen einflussreichen Werken über Theorie und Praxis des Managements widmete sich Drucker auch dem Thema „Funktionsfähige Teams“. Gerade für Top-Leitungsteams in Unternehmen sind diese Überlegungen heute noch genauso zukunftsweisend wie im letzten Jahrhundert.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim weiteren Lesen,

Stefan Ruhl
& das ganze Team des Management Campus


In einem Artikel im Wall Street Journal beschreibt Drucker, wie der Begriff Teamentwicklung immer mehr zum Modewort wurde, in der Praxis viele Unternehmen jedoch an der konkreten Umsetzung der Teamarbeit scheitern. Vielleicht haben Sie in Ihrer eigenen Einrichtung bereits die Erfahrung gemacht, mit Teamarbeit nicht die Arbeitseffizienz zu erreichen, die Sie sich davon erhofft haben. Der Grund hierfür könnte sein, dass es verschiedene Arten von Teams gibt, die sich in ihrer jeweiligen Struktur, in ihren Stärken, Schwächen und Bedarfen unterscheiden.

Drucker beschreibt in diesem Zusammenhang drei Arten von Teams:

Das Baseball-Team
Charakteristisch für das Baseball-Team ist, dass seine Mitglieder gar nicht als Team spielen. Jeder Spieler hat eine feste Position innerhalb des Teams, die er niemals verlässt. Aus dieser definierten Stellung ergeben sich Aufgaben und Verantwortlichkeiten, die nur von diesem Spieler selbst erfüllt werden können. Auch die Abfolge der einzelnen (Arbeits-) Schritte ist festgelegt. Der Runner wartet, bis der Pitcher den Schlag getan hat usw. Die Arbeit innerhalb eines Baseball-Teams erfolgt demnach seriell, nicht gemeinsam.

Das Football-Team
Auf den ersten Blick mögen sich Baseball- und Football-Team nicht unterscheiden, denn auch das Football-Team zeichnet sich durch eine feste Aufstellung seiner Spieler aus. Im Gegensatz zum Baseball-Team spielen die Mitglieder des Football-Teams jedoch als Team. Zwar bewegen sich die Spieler auf ihren festen Positionen, aber sie richten sich nacheinander aus und spielen sich den Ball zu. Es handelt sich also um eine parallel ablaufende Teamarbeit.

Das Tennis-Doppel
Im Team eines Tennis-Doppels haben die Spieler zwar eine primäre, jedoch keine starre Position. Das Zusammenspiel gestaltet sich sehr flexibel, ähnlich einer Jazz-Combo.

Irrtümlicherweise halten viele Menschen nur letzteres für wirkliche Teamarbeit. Dabei ist der entscheidende Punkt, sich der Unterschiedlichkeit der verschiedenen Teamvarianten bewusst zu werden. Gerade Führungskräfte sollten die Eigenheiten eines Baseball-Teams, Football-Teams und Tennis-Doppels kennen, um das eigene Team zu einem funktionstüchtigen Werkzeug - zum Top-Team - zu machen.

Klarer Vorteil des Baseball-Teams ist, dass die Leistungen der Teammitglieder einzeln evaluiert und verpflichtende Ziele für jeden Spieler definiert werden können. Jedoch ist das Baseball-Team wenig flexibel. Es entfaltet seine Leistungsstärke, sobald die Abläufe viele Male durchgespielt und von jedem Spieler verinnerlicht wurden.

Das Football-Team mag über jene Flexibilität verfügen, die dem Baseball-Team fehlt. Jedoch muss es viel strengeren Anordnungen folgen, nämlich den „Befehlen“, die der Coach während des Spiels auf das Spielfeld ruft.

Die Stärke der Spielweise eines Tennis-Doppels erscheint zunächst die große Freiheit seiner Spieler auf dem Platz zu sein. Dafür hat dieses Team aber mehr Auflagen: In einem Team, das sich am flexiblen Zusammenspiel eines Tennis-Doppels orientiert, darf eine Teamgröße von fünf bis sieben Mitgliedern nicht überschritten werden. Die Teammitglieder müssen zusammen trainiert werden und bereits eine ganze Weile gemeinsam gearbeitet haben, bevor ihre wirkliche Leistungskraft zum Tragen kommt. Dabei muss das angestrebte Ziel jedem einzelnen Mitglied bekannt sein.

Um in Ihrem Team also eine hohe Arbeitseffizienz zu erreichen, dürfen Sie nicht das Baseball-Team nach der Systematik eines Tennis-Doppels spielen lassen. Bedenken Sie, dass es nicht nur eine „gültige“ Form der Zusammenarbeit gibt, sondern nutzen Sie die individuellen Stärken Ihres Baseball-, Football- oder Tennis-Teams! Dabei ist die Entscheidung, welches Team für welchen Zweck eingesetzt werden soll, nicht immer einfach.


Über die unterschiedlichen Teamformen hinaus hat Peter Drucker Regeln aufgestellt, die für alle funktionsfähigen Teams gelten:

1. Letztes Wort im eigenen Verantwortungsbereich
Jedes Mitglied eines Topmanagement-Teams hat das letzte Wort in seinem Verantwortungsbereich. Es spricht für das gesamte Team und trifft eine für das Team verbindliche Entscheidung.

2. Entscheidungen
Keiner trifft eine Entscheidung in einem anderen Verantwortungsbereich.

3. Teamentscheidungen
Bestimmte Entscheidungen, z.B. bei Akquisitionen, großen Investitionen oder Personalentscheidungen, sind dem gesamten Team vorbehalten.

4. Wertschätzung
Die Teammitglieder geben außerhalb des Teams keine Wertung über andere Mitglieder ab.

5. Information
Jedes Teammitglied ist verpflichtet, alle Mitglieder über alles informiert zu halten, was in seinem Verantwortungsbereich vor sich geht.

6. Teamleitung
Ein funktionierendes Team ist entgegen weit verbreiteter Auffassung keine Gruppe von Gleichberechtigten. Jeder Einzelne ist Mitglied eines Teams, weil er dort einen bestimmten Beitrag zu leisten hat. Daher haben funktionsfähige Teams eine innere Struktur und sie haben eine Leitung. Die erste Aufgabe des Teamleiters ist es, für die Einhaltung der Regeln zu sorgen.


Quelle: Peter F. Drucker, Wall St. Journal:
“There's More Than One Kind of Team”