Newsletter Februar 2012

Sehr geehrte Damen und Herren,
in diesem Newsletter möchten wir uns mit dem Thema Ziele auseinandersetzen. Ein eigenes wissenschaftliches Feld, die Zielpsychologie, beschäftigt sich mit der Fragestellung, welche Art von Zielen die höchste Erfolgsrate hat. Zur Beantwortung dieser Frage lassen sich zwei Forschungsrichtungen betrachten, für die stellvertretend zwei Zieltypen gültig sind [1]. Der eine ist Ihnen sicher auch schon über den Weg gelaufen. Es ist der konkrete, spezifische Zieltyp, der sich in der S.M.A.R.T.-Formel (S=Spezifisch, M=Messbar, A=Attraktiv, R=Realisitisch, T=Terminiert) manifestiert. Der andere ist ein etwas unbekannterer Zieltyp, der auf die innere Haltung abzielt und daher auch Haltungs- oder Mottoziel genannt wird.

Die S.M.A.R.T.-Formel geht auf die empirischen Ergebnisse der Zielsetzungstheorie der Arbeitspsychologen Locke und Latham (1990) zurück. Latham berichtet in seiner ersten Publikation darüber, wie er als junger Psychologe in einem Projekt der American Pulpwood Association die Aufgabe hatte, die Anzahl an gefällten Bäumen pro Tag zu erhöhen. Latham gab den Holzfällern eine hoch angesetzte, konkrete Anzahl von Bäumen vor, die sie jeden Tag fällen sollten. Hohe und spezifische Ziele, so sein Ergebnis, erhöhten die Anzahl der gefällten Bäume. Und dieses Beispiel zeigt auch gleich die Limitation des Ansatzes: der Aufgabentyp ist klar strukturiert, das Ziel beinhaltet ein klares Ergebnis. Sobald wir jedoch in ein komplexes dynamisches Arbeitsumfeld kommen, sind den S.M.A.R.T.-Zielen Grenzen gesetzt. Auch die Fragestellung nach der inneren Motivation und der Identifikation mit dem Ziel ist bei S.M.A.R.T.-Zielen oft schwer zu beantworten.

Hier setzen die Haltungsziele an. Sie gehen zurück auf die Theorie, dass Menschen in sich unterschiedliche Bewertungssysteme vereinen. Vereinfacht gesagt gibt es ein „verstandsmäßiges“ (bewusste Absichten einer Person) und ein „gefühlsmäßiges“ (gespeist aus Erfahrungen, Bedürfnissen, aktuellen Befindlichkeiten, Normen und Werten einer Person) Bewertungssystem. Haltungsziele definieren sich aus dem gefühlsmäßigen Bewertungssystem heraus. Ein darauf abgestimmtes Ziel unterscheidet sich von S.M.A.R.T.-Zielen dahingehend, dass es nicht spezifisch und konkret ist, sondern eher einen Zielkorridor oder eine Art Generalschlüssel definiert. Ein solches Ziel lautet z. B. „Ich nehme mir Auszeiten.“ anstelle von „Ich mache jeden zweiten Tag 30 Minuten Joga.“. Im ersten Fall gibt es zahlreiche Möglichkeiten, das Ziel zu erreichen. Gute Haltungsziele sind schwerer zu definieren, weil sie eine Rückkopplung an unseren unbewussten, gefühlsmäßigen Bewertungsteil erfordern. Ist die übergeordnete „Rahmung“ definiert, gilt es, sie in einem weiteren Schritt mit konkreten Handlungsoptionen zu hinterlegen. Ein gutes Haltungsziel, das eine enge Anbindung an die innere Motivationslage hat, leuchtet praktisch wie ein Leitstern, dem man leicht folgen kann. In Unternehmen können z. B. Unternehmenswerte die Haltungsziele festlegen. Wichtig ist, wie bei persönlichen Ziele auch, dass sie die Unternehmensidentität widerspiegeln und damit den Mitarbeitern einen echten Zielkorridor aufzeigen.

In unserer Leseecke finden Sie einen Buchtipp, der das Thema der unterschiedlichen Bewertungssysteme und daraus ableitbaren Zielsetzungen weiterführend diskutiert, und unser Praxisbeispiel zeigt auf Unternehmensseite, wie man „Zahlen, Daten & Fakten“ im Veränderungsprozess mit Kulturveränderungen und menschlichen Faktoren zusammenbringt.

Im Namen des gesamten Ruhl Consulting-Teams wünsche ich Ihnen viel Spaß und spannende Erkenntnisse beim weiteren Lesen des Newsletters.

Stefan Ruhl
(Vorstand Ruhl Consulting AG)

[1] Vgl. Storch, M., Motto-Ziele, S.M.A.R.T.-Ziele und Motivation, in: Birgmeier, B. (Hrsg.): Coachingwissen. Denn sie wissen nicht, was sie tun? VS Verlag für Sozialwissenschaften/ GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009, S. 183-205.