Liebe Leser,  

in unserem letzten Newsletter hatten wir das eindrucksvolle Beispiel der Resozialisierung von Strafgefangenen in der Delancey Street Foundation vorgestellt.* Wir zeigen damit, wie tiefgreifende Veränderungen nachhaltig verankert und Mitarbeiter gestärkt werden können, die Veränderungen dauerhaft zu tragen und auszufüllen.  

Einer der ersten Erfolgshebel dafür ist, den kritischen Faktor für die Veränderung zu identifizieren und sich darauf zu konzentrieren. Bei Der Delancey Street Foundation (DSF) war dies die Entwicklung von Empathie.  

Daran setzt auch der zweite Erfolgsfaktor an. Durch neues Verhalten und den dadurch erlebten Erfolg bilden sich nach und nach neue Glaubensmuster heraus. Überlegen Sie, welche konkrete Handlungen Mitarbeitende immer und immer wieder ausüben müssen, damit bei ihnen eine neue Gewohnheit im Hinblick auf den kritischen Faktor entsteht. Welches Verhalten ist so anders, dass es die Chance hat, auch eine Haltungsänderung anzustoßen? Und lassen Sie sich nicht davon abschrecken, dass sich ein neues prozedural antrainiertes Handlungsmuster zu Beginn fremd, hölzern und unstimmig anfühlt, bevor es sich automatisiert und im Gedächtnis festsetzt. Bevor alte Gewohnheiten verabschiedet und durch neue ersetzt werden.  

Positive Emotionen durch Erfolgserlebnisse sind ein kraftvoller Motor für Veränderungen. Damit wir eine Veränderung beginnen, braucht es oft einen Schmerzpunkt – eine bestimmte Art von Betroffenheit und die Erkenntnis, dass das Alte früher seine Berechtigung hatte, aber heute so nicht mehr funktioniert. Doch selbst dieser Schmerzpunkt reicht in der Regel nicht, um neue Verhaltensweisen dauerhaft aufrechtzuhalten. Alte Verhaltensmuster werden nicht verlernt, sondern nur überdeckt. Gerade unter Stress brechen sie darum leicht wieder hervor. Was es braucht, um neue Verhaltensmuster zu stärken, sind fühlbare Erfolge, die uns neue Energie für den Wandel geben. Nur so werden viele Menschen ihr Verhalten nachhaltig ändern können.  

Bei der DSF sind Alkohol, Drogen oder Gewalt streng verboten und führen zur sofortigen Übersendung ins Gefängnis. Die Teilnehmer erleben ihren ersten Erfolg, wenn ihnen klar wird, dass sie es geschafft haben, die ersten Wochen durchzuhalten und z.B. vier Wochen ohne Gewalt oder Drogen zu existieren. Dieser frühe Erfolg und das Vertrauen, das in sie gesetzt wird, motivieren sie weiterzumachen.  

Diesen Fokus braucht es in Veränderungen. Unternehmen, vielmehr ihre Führungskräfte, leisten dazu einen hohen Beitrag, wenn sie frühzeitig für Erfolgserlebnisse sorgen und damit verbunden positive Emotionen auslösen. Achten Sie also darauf, Erfolge zu  kommunizieren und diese zu feiern. Selbst in der schwierigsten Veränderung gibt es immer etwas, was als Erfolg gesehen werden kann.  

Diese Energie zum Weitermachen muss umso stärker sein, je größer die noch bevorstehende persönliche Veränderung ist. Und das Tal der Tränen, das die Betroffenen durchschreiten müssen, kann mit einer tiefen Veränderungskrise verbunden sein. So auch bei der DSF. In dem Moment, in dem die Teilnehmer des Resozialisierungsprogramms beginnen, Empathie und Gefühle der Zuneigung zulassen, geraten Sie in die Falle der Erstverschlimmerung. Sie geraten in eine Lebenskrise, weil ihnen bewusst wird, was sie anderen Menschen in der Vergangenheit angetan haben und sie verabscheuen sich.  

Die DSF hat ein Ritual entwickelt, um die ehemaligen Straftäter effektiv zu unterstützen, die Krise zu bewältigen. Sie führt eine Art mehrtägige Selbsthilfegruppe durch. Jeder Betroffene erzählt seine Geschichte und spricht über seine Schuldgefühle. Viele der Teilnehmer finden dort zu ihren Tränen zurück. Am Ende sind sie gefordert, sich selbst zu vergeben und als Wiedergutmachung für das alte Leben in Zukunft Gutes zu tun und der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Und das meinen sie ernst. Die Erfolgsquote ist enorm. Und die Menschen strahlen die Veränderung ihrer inneren Haltung nach außen aus. Als Mitarbeiter gelten sie als freundlich und serviceorientiert. Die Kunden nehmen v.a. selbst die Veränderung auf einer tieferen Ebene wahr. Das positive Feedback, das die Teilnehmer von den Kunden erhalten, stärkt wiederum die Verhaltensänderung.  

Wenn sie es am Ende geschafft haben, haben sie unglaubliche Stolpersteine auf ihrem Weg überwunden. Die Wahrscheinlichkeit zu scheitern war hoch, aber es war von Anfang an jemand da, der daran glaubte, dass der Samen auf fruchtbaren Boden fallen würde. Den Glauben an das hoffnungsvolle Ende zu haben und gleichzeitig der harten Realität im Hier und Jetzt ins Auge zu blicken und dann mit Mut, Geduld und Durchhaltevermögen den Weg mit Leben zu füllen – dafür braucht es echte Führungspersönlichkeiten, die herausfordernde Veränderungsprojekte nicht scheuen.  

Wir sind dankbar, tagtäglich im Großen wie im Kleinen solchen Menschen begegnen zu können und gemeinsam an den Themen zu arbeiten, die Ihnen den größten Sinn geben.  

Im Namen des gesamten Teams der Ruhl Consulting AG wünschen wir Ihnen heute viel Spaß und spannende Antworten beim weiteren Lesen des Newsletters.   

 

Mit herzlichen Grüßen

Stefan Ruhl und Dr. Elke Eberts
(Vorstand der Ruhl Consulting AG)   

 * vgl. hierzu Groth, A.: Führungsstark im Wandel: Change Leadership für das mittlere Management, Campus Verlag; Auflage: 2 (9. März 2013), S. 147 ff.