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Donnerstag, 28. Dezember 2017


Newsletter November 2011

Sehr geehrte Damen und Herren,

Projekte, wie wir sie im Rahmen der Entwicklung medizinischer Fachabteilungen durchführen, basieren unserer Erfahrung nach auf wenigen Erfolgsfaktoren. In unserem Praxisbericht zeigen wir fünf dieser Erfolgsfaktoren auf. Darüber hinaus kann es hilfreich sein, sich die Dramaturgie von Veränderungsprojekten anhand eines Phasenmodells zu verdeutlichen und die Herausforderungen in den einzelnen Phasen klar zu machen. Dazu möchte ich Ihnen heute ein solches Phasenmodell vorstellen und Ihr Augenmerk auf die Aspekte lenken, die oft in der Begleitung von solchen Projekten übersehen werden. Veränderungsprozesse lassen sich in fünf typische Phasen einteilen (siehe hierzu unsere Buchempfehlung „Harte Schnitte, neues Wachstum: Die Logik der Gefühle und die Macht der Zahlen im Change Management“):  

In der ersten Phase wird die Ist-Analyse durchgeführt, die in Form von Organisationsbefragungen den aktuellen Zustand und darauf aufbauend den Veränderungsbedarf aufzeigt. Vielen Führungskräften ist dabei weniger bewusst, dass zur Unterbrechung der Routine mehr notwendig ist. Eine Abteilung aus der „Komfortzone“ des vertrauten Alltags zu reißen, bringt immer eine Phase der Destabilisierung mit sich. Es bedeutet, Konflikte bewusst ans Tageslicht zu bringen und die Diskussion zu fördern. Externe Begleitung kann hier hilfreich sein, da der externe Berater einfacher „polarisieren“ und Routinestrukturen aufbrechen kann. Zudem stellt allein die Organisationsanalyse mit externer Beteiligung eine bewusste Irritation des Vertrauten dar.

Dass die Visionsarbeit in der zweiten Phase ein wesentlicher Hebel für den Wandel ist, ist weitreichend diskutiert. Die in dieser Phase entstehenden Konzepte oder Vorstellungen über mögliche Zukunftsszenarien werden jedoch von den betroffenen Mitarbeitern oft als fremd erlebt, unterbrechen sie doch die gewohnte Routine. Das bedeutet, sie sind nur bedingt geeignet, um eine inhaltliche Sicherheit zu bieten. Daher ist es gerade in dieser Phase wichtig, auf Prozesssicherheit zu achten. Diese wird über eine klar kommunizierte Change Management-Architektur (wer wirkt wie beim Change-Prozess mit) und einen Meilensteinplan (was ist bis wann zu leisten) erreicht. Wichtig ist auch die Stärkung der Mitarbeiter in ihrer Methodenkompetenz rund um das Thema Change Management. Dadurch wird die subjektiv gefühlte Sicherheit erhöht.

Oft scheitern Veränderungsprojekte in der dritten Phase daran, dass „perfekte“ Konzepte mit dem Ziel der 1:1-Umsetzung eingeführt werden. Gerade bei Veränderungen mit hohem Komplexitätsgrad - und der ist schon aufgrund der Schnittstellenthematik im Krankenhaus gegeben - bedeutet weniger mehr. Hier braucht es Raum für Fehler- und Experimentierfreude und als Konsequenz daraus die unmittelbare Lernerfahrung der Beteiligten. Oft erleben wir jedoch, dass den Führungskräften der notwendige Mut fehlt, ein stückweit den Sprung ins kalte Wasser zu wagen und sich auch ohne Ergebnissicherheit auf die Veränderung einzulassen. Zudem steigt in der dritten Phase der Widerstand, denn jetzt wird zum ersten Mal konkret, was von den bisherigen Strukturen bestehen bleibt und was aufgegeben werden muss. Die Erfahrung hat gezeigt, dass es hilfreicher ist, „mit“ dem und nicht „gegen“ den Widerstand zu arbeiten. Das bedeutet, ihn bewusst aufzunehmen, Alternativen zu bewerten und neue Optionen zu diskutieren, auch wenn damit ein Abrücken von der ursprünglichen Lösungskonzeption einhergeht. Bleibt der Widerspruch aus, so ist das ein Warnsignal. Die Veränderung wird eventuell nicht ernst genommen und die Mitarbeiter haben sich vielleicht zum „Aussitzen und Abwarten“ verabredet.

Zu Beginn der vierten Phase ist die Anfangseuphorie oft verflogen, denn die ersten Rückschläge haben stattgefunden. Das gesamte Projekt erscheint zerbrechlich und zerfasert. Dies liegt daran, dass die Wissensstände und Einbindungsgrade noch immer unterschiedlich sind. Während die Führungsriege langsam ungeduldig wird, weil die Veränderungen nun doch „durch“ sein müssten, stecken die Umsetzer noch mitten in der Arbeit. Die Mitarbeiter sind zu gewinnen und voll zu integrieren. Diese Phase erfordert wahre Ausdauer, denn der Sog der alten Gewohnheiten und Routineabläufe ist groß, das Neue wirkt im Alltag wie ein Fremdkörper und macht mehr Arbeit als vorher. Konsequente Überzeugungsarbeit ist wesentlich. Oft erleben wir, dass externe Beratung nur bis zur dritten Phase begleitend beauftragt wird und die Projektverantwortlichen in der mühevollen vierten und fünften Phase auf sich selbst gestellt sind. Dabei gilt es gerade in diesen Phasen zusätzliche Kraftreserven mit an Bord zu nehmen, um die nachhaltige Verankerung der Veränderungen sicherzustellen.

Die fünfte Phase ist die zeitlich längste und auch die entscheidendste. Leider wird ihr im Rahmen von Veränderungsprojekten oft nicht die notwendige Aufmerksamkeit gezollt. Veränderungsprozesse werden in der Regel projekt- und teamorientiert aufgesetzt. Um die Veränderung jedoch organisationsweit zu verankern, müssen die Gesamtstrukturen angepasst werden. Dies betrifft z. B. die Personalprozesse (Müssen Konzepte zur Karriereentwicklung etc. geändert werden? Wie muss das Social Marketing aussehen, um passende neue Mitarbeiter anzuwerben?), Managementstrukturen (Brauchen wir flachere Hierarchien, um Innovation mehr Raum zu geben?) oder Controlling-Bereiche (Wie messen wir Erfolg im Rahmen der neuen Strukturen?). Zudem geht es in dieser Phase darum, verstärkt nach außen zu gehen und das Neue mit Selbstvertrauen an Patienten, Zuweiser und andere Zielgruppen zu kommunizieren. Damit werden die implementierten Prozesse auf einen weiteren Prüfstand gestellt und müssen sich an dem breiten Feedback messen lassen.

Neben der inhaltlichen Ausgestaltung von Reorganisationsprojekten ist es diese „Hintergrundarbeit“ der Change-Manager, die nachhaltige Erfolge absichert.

Im Namen des gesamten Ruhl Consulting-Teams wünsche ich Ihnen viel Spaß und spannende Erkenntnisse beim weiteren Lesen des Newsletters.

Stefan Ruhl
(Vorstand Ruhl Consulting AG)

 

P. S.: In den letzten Monaten erfreut sich unser Newsletter einer immer größeren Beliebtheit. Wir können 3-5 neue Abonnenten pro Woche verzeichnen. Ich möchte mich ganz herzlich für die Weiterempfehlung bei Ihnen bedanken.

http://newsletter.ruhl-consulting.de/nc/fruehere-newsletter/nov-2011.html?print=1