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www.ruhl-consulting.de

Donnerstag, 28. Dezember 2017


Liebe Leser,

unter dem Titel „Wo Menschen arbeiten, entstehen Fehler“* findet sich in einer Sonderveröffentlichung der Frankfurter Allgemeinen ein Interview mit uns und die Auswertungen** zu unserem Veränderungsbarometer zeigen, dass das Thema Fehlerkultur einer der zentralen Stolpersteine auf dem Weg der Veränderung ist. Dazu hält das am 26.2.2013 in Kraft getretene Patientenrechtegesetz Krankenhäuser an, verstärkt Maßnahmen zur Verbesserung der Patientensicherheit und Fehlervermeidung im Blick zu haben. Grund genug für uns, einen vertiefenden Blick auf das Thema Fehlerkultur zu werfen.  

Eine Klinik ist ein Ort, an dem in der Idealvorstellung der Patienten und Mitarbeiter keine Fehler passieren. Es ist ein Ort, der trotz seiner Leistung von Menschen für Menschen dem Takt einer Maschine gleichen sollte. Aufgabenspezialisierung und Standardisierung haben in den Prozessen einen hohen Stellenwert. Sie gewährleisten die Sicherheit in den Behandlungsschritten, Mindestqualität und Effizienz.  Dabei herrscht eine starke Kultur der Fehlerintoleranz. Es geht darum, immer wieder zu prüfen, wo können Fehler entstehen oder sind Fehler entstanden und wo können wir noch besser werden, um Fehler zu vermeiden. Intoleranz bedeutet dabei nicht, aufgetretene Fehler auszublenden, sondern sie aufzuarbeiten und Wiederholungen zu vermeiden. Eine so aufgefasste Fehlerintoleranz ist wichtig und notwendig, um bestehende Prozesse schrittweise sicherer und besser zu machen.  

In ihrer negativen Ausprägung führt Fehlerintoleranz dazu, dass das Auftreten von Fehlern tabuisiert wird, „Schuldige an den Pranger gestellt“ und abgestraft werden. Das ist gefährlich und für uns menschenunwürdig. Die damit verbundene Haltung des Einzelnen, wie er Fehlern begegnet, ist Gift für eine weiterentwicklungsorientierte Fehlerkultur im Team. Es erhöht die Gefahr, Mitarbeiter dazu zu erziehen, nur noch Dienst nach Vorschrift zu leisten. Nach dem Motto: Wenn ich nichts (Neues) tue, mache ich nichts falsch. Zudem führt es dazu, dass Fehler unter den Teppich gekehrt werden, anstelle sie für Verbesserung und Weiterentwicklung zu nutzen. Ob dabei dauerhaft begeisterte Patienten und exzellente Arbeit herauskommen?  Wir wagen dies zu bezweifeln. Gerade um sich weiterzuentwickeln braucht es eine Kultur der Fehlertoleranz, den Willen zum Lernen, den gleichen Fehlern nicht ein zweites Mal zu machen, und den Mut zum Ausprobieren.   

1986 erfand der Skispringer Jan Boklöv eher aus Zufall denn mit Absicht den V-Stil. Dieser Stil stieß zuerst auf große Ablehnung in der Skispringerwelt – vor allem, weil er nicht den damaligen ästhetischen Ansprüchen genügte. Nachdem Boklöv jedoch trotz hoher Abzüge in den Haltungsnoten in der Saison 1988/89 insgesamt 5 Weltcubspringen gewann, war klar, dass der neue Stil konkurrenzfähig zum klassischen Stil mit paralleler Skiführung war.  Für die meisten etablierten Springer war die Umstellung auf den V-Stil schwierig. Es gab nur acht Springer, die mit beiden Stilen gewonnen haben – allen voran übrigens Jens Weißflog.  

Ein Grund für die Startschwierigkeiten liegt darin, dass wir bei der Anwendung neuer Stile oder der Arbeit in neuen Strukturen erst einmal schlechter werden. Die Skispringer, die den klassischen Stil wie Meister beherrschten, waren Lehrlinge in der Anwendung des V-Stils. In der Übergangszeit gilt es zu trainieren und Rückschritte als auch Fehler zu tolerieren. Wollen wir einen anderen qualitativen Ordnungszustand erreichen, braucht es diesen  Einsatz. Bestimmte qualitative Veränderungen im Sinne einer neuen Ordnungsbildung funktionieren nur über eine Phase der Verschlechterung und dies impliziert eine Haltung der Fehlertoleranz. Es muss Raum zum Experimentieren geben, Verschlechterungen brauchen Akzeptanz und es braucht auch eine gewisse Disziplin, sich davon nicht vom Weg abbringen zu lassen.  

Wichtig ist, dass Fehlertoleranz als auch Fehlerintoleranz (in ihrer positiven Ausprägung) zwei Prinzipien der Fortentwicklung und des Lernens sind. Denn wenn der neue Ordnungszustand erreicht ist, dann geht es darum, über Fehlerintoleranz die Qualität weiter zu verbessern und zu stabilisieren. Gerade in Krankenhäusern gilt, es eine gute Balance zu entwickeln und beide Entwicklungsqualitäten in der Unternehmenskultur zu verankern. Möglich wird das, indem ein Bewusstsein für die jeweilige Notwendigkeit und die zugrundeliegenden Mechanismen geschaffen wird: Nur wenn wir uns von der Illusion lösen, fehlerfrei zu arbeiten, werden wir fehlerfreier arbeiten und Exzellenz erreichen können.  

Im Namen des gesamten Teams der Ruhl Consulting AG wünschen wir Ihnen viel Spaß und spannende Erkenntnisse beim weiteren Lesen des Newsletters.

Mit herzlichen Grüßen

Stefan Ruhl und Dr. Elke Eberts 

(Vorstand der Ruhl Consulting AG)

*Lesen Sie das vollständige Interview hier
**Die Ergebnisse des Veränderungsbarometers lesen Sie hier

http://newsletter.ruhl-consulting.de/nc/fruehere-newsletter/jun-2013.html?print=1