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Donnerstag, 28. Dezember 2017


Berufsgruppenübergreifendes Stationskonzept und Teamentwicklung

In einer Klinik zeichnete sich im vergangenen Jahr die folgende Ausgangssituation, als wir zur Unterstützung gerufen wurden:  Teamkonflikte auf zwei benachbarten Stationen waren unter öffentlicher Zurschaustellung eskaliert. Auf den beiden Stationen schaukelten sich die Krankheitsausfälle immer weiter hoch. Dies konnten die kleinen Teams aus eigener Kraft nicht mehr bewältigen und benötigten daher Unterstützung von anderen Stationen des Hauses. Die Pflegehilfen ließen sich versetzen und verstärkten so das Problem. Sämtliches Personal, das nicht auf dem Dienstplan eingeteilt war, musste immer wieder aus dem Frei hinzugezogen werden, so fehlten bald auch die notwendigen Erholungszeiten und weitere Erschöpfungsausfälle waren vorprogrammiert.

Die Leitungen beider Stationen kapitulierten und stellten ihre Leitungspositionen zur Disposition. Ärztliche und pflegerische Berufsgruppen arbeiteten nicht als Team zusammen, sondern nebeneinander her. Einige externe Meinungsbildner wendeten sich an Pflegedienstleitung und Geschäftsführung vorbei direkt an die Aufsichtsgremien. Die Art und Weise der Eskalation entsprach keinesfalls der feinen englischen Art und zwang Geschäftsführung und Pflegeleitung zum sofortigen Handeln.

Die Konflikte mit Aggression und Tränenfluss blieben auch den Patienten nicht verborgen. In der Folge kam es gehäuft zu Patientenbeschwerden. Die Resignation im Team war hoch. Um das Ruder schnell herumzureißen entschied sich die Geschäftsführung dafür, ein Veränderungsprojekt unter professioneller externer Begleitung durchzuführen und setzte ein Projekt zur berufsgruppenübergreifenden Neuorganisation der beiden Stationen auf.   

Umsetzung
Unter den engen finanziellen Rahmenbedingungen von Grund- und Regelversorgern war eine Stellenausweitung in der Pflege nicht denkbar, im Gegenteil. Um aus der sich beschleunigenden Hamsterradsituation auszutreten, musste jegliche Verschwendung in den Prozessen kritisch hinterfragt und Abläufe ressourcenschonend neu aufgesetzt werden. Die Lösung besteht im Auflösen berufsgruppensegmentierten Denkens und einer straffen Organisation von Behandlungspfaden aus dem Blickwinkel der Patienten. Wenn sich interprofessionell ein Denken als Stationsteam durchsetzt, dann geht das mit einer Entlastung des Pflegedienstes einher, weil Doppel- und Mehrfachtätigkeiten sowie unproduktives Warten auf andere Berufsgruppen entfallen. Auf die Arbeitsbelastung reduzierten wirkt sich insbesondere ein transparentes Verweildauermanagement von der Aufnahme bis zur Entlassung, zeitlich koordinierte Aufnahmen und Entlassungen im Tagesablauf und einem unmittelbaren patientenbezogenen Informationsaustausch in straffen gemeinsamen Arzt-Pflege-Visiten aus. In analoger Weise entspannt sich die Situation für die Stationsärzte durch eine geregelte oberärztliche Stationsverantwortung und tägliche Betreuung, die zu schneller Entscheidungsfindung und raschen Lerneffekten führt.  

Die Pflegedienstleitung nutzte die Projektorganisation, um über ihren disziplinarischen Wirkungsbereich hinaus berufsgruppenübergreifend Führungsverantwortung in den Prozessen bis hin zur Arztbriefschreibung zu übernehmen. Legitimiert wurde sie dafür für die Dauer der Projektlaufzeit durch den oberen Entscheiderkreis. Dies kam der temporären Einrichtung einer zentralen Querschnittsverantwortung an den Schnittstellen rund um die neue Großstation gleich. Das Projekt für die Station und die Schnittstellen zur Station war von Anfang an auf strategischer Entscheidungsebene bei der Geschäftsführung aufgehängt. So war eine unmittelbare disziplinarische Weisungsbefugnis in alle Berufsgruppen hinein gegeben. Mit engagierter Unterstützung vieler Mitarbeiter des Hauses wurden parallel mehrere Zahnräder in Gang gesetzt und zum Start der ersten Umsetzungsphase erfolgreich zueinander geführt.  

Ergebnisse
Der verantwortliche Oberarzt und die neue Stationsleitung haben die Herausforderungen im ersten Schritt mit vereinter Unterstützung des Projektteams gut gemeistert und ihr Team gemeinsam erfolgreich mit auf die Reise mitgenommen. Der aufgrund der Ausgangssituation unerwartet positive Projekterfolg kann anhand einiger Erfolgseckdaten umrissen werden:

Wirtschaftlicher Erfolg

  • Verweildauer konnte um über 0,5 Belegungstage reduziert werden.
  • Ohne Erlöseinbußen konnten so bei konstantem CMI zusätzliche Bettenkapazitäten und eine signifikante Steigerung des Casemix-Anteils geschaffen werden.  

Prozessverbindlichkeit

  • Rotations-, Urlaubs-, Dienstplanung und stationsübergreifendes Ausfallmanagement.
  • Die Ausfallquoten haben sich auf ein Normalmaß eingependelt.
  • Berufsgruppenübergreifende Stationsorganisation entlang der Tagesorganisation sowie Information und Regelkommunikation auf Station:  
    • mindestens 4 Entlassungen bis 10 Uhr mit (z.T. endgültigen) Arztbrief,
    • 76% der Entlassbriefe sind am Vortag bis 15 Uhr vorbereitet,
    • gesicherte Bettenkapazitäten für Neuaufnahmen,
    • Visiten finden grundsätzlich mit Pflegebegleitung statt,
    • zwei Teams sind zusammengewachsen,
    • sukzessive entwickelt sich die fachliche Kompetenz als wichtiger verbindender Wert des Teams weiter, bei kontinuierlicher stationsärztlicher Besetzung besonders hohe Prozesstreue
  • Schnittstellenvereinbarungen wurden mit der Notaufnahme, mit Funktionsbereichen und zur Neuorganisation Arztbriefschreibung getroffen, verschriftlicht und umgesetzt.    

Mitarbeiter 

  • Trotz Turn-Around-Projekt wurden keine Mitarbeiter von Station ausgetauscht, es sei denn sie haben von sich aus um Versetzung gebeten.
  • Der gemeinsame Projekterfolg wurde mit den vorhandenen Stärken und Problematiken der individuellen Stationsmitarbeiter erreicht.  

Patientenbefragung

  • In der kontinuierlichen Patientenbefragung wird mittlerweile die Freundlichkeit des Arzt- und Pflegepersonals als herausragend bewertet.
  • So beinhalten weit über 50% der Bewertungen ein „ sehr gut“ für Arzt und Pflege.
  • In den Kommentaren wird die Station heute als vorbildlich für andere Stationen hervorgehoben.

In der Wirtschaftlichkeit, Mitarbeiter- und Patientendimension konnten erfreuliche Resultate erzielt werden. Das erarbeitete berufsgruppenübergreifende Stationshandbuch ist in den ersten drei Monaten nach Einführung etwa auf halbem Wege der Umsetzung. Für alle Verantwortlichen im Projekt war es so am Ende ein herausforderndes, arbeitsreiches, aber nicht zuletzt auch inspirierendes und ermutigendes Jahr 2013. Das Projekt ist beendet und die Prozesse in den Regelbetrieb übergeben: In die gemeinsame Managementverantwortung des interprofessionellen Führungsteams. Wir sind gespannt, was sich daraus noch alles entwickelt…  

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