Auf dem Weg zur lernenden Organisation - Changemanagement am Universitätsklinikum Ulm

Das Management von Veränderungen ist zur zentralen Herausforderung für Führungskräfte geworden, die Veränderung selbst Überlebensstrategie. Das, was schon seit Jahrhunderten fester Bestandteil des Arbeitsalltags ist, nämlich das kontinuierliche Lernen und Weiterentwickeln der medizinischen Fachinhalte, muss nun in der Organisationsstruktur verankert werden: Krankenhäuser müssen sich auf den Weg machen, Strukturen einer „lernenden Organisation“ zu entwickeln und zu integrieren. Der Wandel ist in einer lernenden Organisation nichts Außergewöhnliches und keine Bedrohung sondern fester Bestandteil des Tagesgeschäftes. Doch gerade die Weiterentwicklung der Veränderungskompetenz und Etablierung notwendiger Strukturen geht in Unternehmen angesichts des Veränderungsdrucks, der Ad hoc-Entscheidungen und der vielen daraus resultierenden Projekte oft unter. Und so sollten sich Kliniken Zeit nehmen, ihre eigene Veränderungskompetenz auf den Prüfstand zu stellen und zu bewerten.

Peter Senge (1) zählt das „Team-Lernen“ zu einer der Disziplinen, die lernende Organisationen auszeichnet. Seiner Auffassung nach beginnt die Disziplin des Team-Lernens mit dem „Dialog“, mit der Fähigkeit der Teammitglieder, eigene Annahmen aufzuheben und sich auf ein echtes gemeinsames Denken einzulassen. Dazu gehört auch, dass ein Team bestimmte Interaktionsstrukturen erkennt und z. B. gegenseitige Abgrenzungs- oder Abwehrmechanismen abbaut, sodass die vielseitigen Perspektiven und die unterschiedlichen Expertisen erfolgreich eingebracht werden können. Gerade im Krankenhaus führen Vorbehalte, alte Rollenbilder und Vorurteile der Berufsgruppen untereinander aber auch der einzelnen Fachdisziplinen dazu, dass unterschiedliche Perspektiven und auch berufsgruppenspezifische Stärken nicht als Ergänzung gesehen werden, sondern zu Abgrenzung oder Konflikten führen. Damit wird ein großes Potenzial an Innovations- und Veränderungskraft nicht genutzt.

Das Universitätsklinikum Ulm hat sich mit der Fragestellung der eigenen Veränderungsfähigkeit sowie Nutzung der unternehmenseigenen Expertise auseinandergesetzt und darauf aufbauend einen strukturierten Veränderungsprozess initiiert. Zielsetzung des Veränderungsmanagements war es zudem, die Mitarbeiter in einer aktiven und verantwortlichen Rolle im Veränderungsprozess einzubinden sowie eine schrittweise Übertragung der Verantwortung für den Gesamtprozess in das Unternehmen hinein zu erreichen. Darüber hinaus sollte am Universitätsklinikum vereintes Wissen, Expertise und die Kreativität im Sinne einer lernenden Organisation zur Entwicklung von Zukunftsoptionen genutzt und eine stärkere Identifikation der Mitarbeiter mit den Zielen des Klinikums erreicht werden.

Die Architektur des Changemanagement-Prozesses gliederte sich in die drei Teilprozesse:

Teilprozess 1: Zukunftswerkstatt
Eine Entwicklergruppe, ca. 15 Vertreter verschiedener Berufsgruppen und Hierarchieebenen, wurde zu einer dreitägigen Zukunftswerkstatt eingeladen. In einem ersten Schritt wurden aus Sicht der Berufsgruppen die aktuellen Herausforderungen, der sich daraus ergebende Entwicklungsbedarf sowie Chancen, Risiken, Stärken und Schwächen des Universitätsklinikums beleuchtet. In einer zweiten Arbeitssequenz wurde die berufsgruppenbezogene Perspektive aufgelöst und gemischte, interdisziplinäre Arbeitsgruppen zusammengestellt. Aufgabe dieser Arbeitsgruppen war es, unter Nutzung der vorher ausgearbeiteten Trends unterschiedliche, an zentralen Prozessen orientierte Szenarien zu entwickeln. Diese Szenarien wurden dann einer „Rüttelstrecke“ unterworfen, bei der die „Außenexpertise“, also die Erwartungen des Patienten oder des zuweisenden Arztes, im Rollenspiel eingebracht wurde. In der vierten Arbeitssequenz wurden in den Arbeitsgruppen strategische Optionen, Pläne und Konzepte entwickelt.

Teilprozess 2: Resonanzveranstaltung
Die Ergebnisse der Zukunftswerkstatt wurden anschließend in eine Resonanzveranstaltung eingebracht. Beteiligt an dieser Resonanzveranstaltung waren im Wesentlichen die Ärztlichen Direktorinnen und Direktoren der Kliniken und Institute, Pflegedienstleitungen sowie die Bereichsleiter der Verwaltung. In der Resonanzveranstaltung wurden „No-Go-Areas“, also Bereiche der Stabilität und Kontinuität, ebenso definiert wie Prioritäten des Handelns.

Teilprozess 3: Entscheidungsphase
Im letzten Abschnitt dieser Strategieentwicklung wurden die Konzepte den Vorständen von Klinikum und Fakultät, dem Aufsichtsratsvorsitzenden des Universitätsklinikums und dem Präsidenten der Universität vorgestellt und in die interne Strategiesitzung eingebracht. Daraus wurden strategische Maßnahmen und Veränderungsprojekte abgeleitet, Aktionen zur Information der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschlossen und – den Schwung nutzend - Projekte und Maßnahmen umgesetzt.

In der Rückschau ist festzustellen, dass mit der Zukunftswerkstatt ein Veränderungsprozess mit hoher Dynamik in das Universitätsklinikum eingebracht wurde, dass tradierte „Feindbilder“ aufgelöst und neue Formen der berufs- und abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit gefunden wurden. Die Notwendigkeit von Veränderungsprozessen und das Hinterfragen von bisherigen Strukturen sind in das Unternehmen eingedrungen. Der Veränderungsprozess zeigt ein hohes Maß an Nachhaltigkeit und erleichtert das Konsensverfahren.

(1) Senge P. Die fünfte Disziplin. Stuttgart: Schäffer-Poeschel 2008:19; 284ff

Den umfassenden Artikel zum Changemanagement Prozess am Universitätsklinikum Ulm finden sie hier (Ruhl S, Marre R, Ruoff M: Auf dem Weg zur lernenden Organisation. Changemanagement am Universitätsklinikum Ulm. In: Der Klinikarzt 2011, 40 (5): 226-228.)

Stefan Ruhl, Vorstand Ruhl Consulting AG
Prof. Dr. med. Reinhard Marre, Leitender Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Ulm
Dr. Michael Ruoff, Inbetriebnahmeteam Neubau Chirurgie Universitätsklinikum Ulm

 

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