Der Patient im Mittelpunkt − Professionelle Strukturen und Abläufe auf Station. Das Stationsarztsystem an der Privatklinik Dr. Amelung
Dr. Amelung, Geschäftsführer der Privatklinik Dr. Amelung, schildert in seinem Vortrag die Reorganisation der Stationsstrukturen der Privatklinik Dr. Amelung mit der Etablierung von festen interdisziplinären Stationsteams. Die Privatklinik Dr. Amelung ist seit 1891 in Familienbesitz. Seit 1980 hat sich die Klinik auf die akutpsychiatrische Behandlung fokussiert. Auf 5 Stationen stehen dafür 92 Betten zur Verfügung. Mit einer Auslastung von über 99% und einer durchschnittlichen Verweildauer von über 50 Tagen besteht ein sehr hoher Aufnahmedruck.
In der Vergangenheit wurden die Patienten nach Kapazitäten (freiwerdenden Betten) auf die 5 Stationen verteilt. Fester therapeutischer Bezugspunkt auf den Stationen war die jeweilige Stations-Pflegekraft, während die Therapeuten Patienten auf verschiedenen Stationen betreuten. Die Vorteile dieses tradierten Stationsmodells liegen in der maximalen Flexibilität sowie der kontinuierlichen Interaktion im therapeutischen Gesamtteam. Für die Pflegekräfte bedeutete dies jedoch viel Koordinationsaufwand und wenig Einbindung in den Behandlungsprozess, was zu Frustration führen kann. Die Ärzte mussten lange Laufwege zwischen den einzelnen Stationen auf sich nehmen. Aufgrund des wechselnden Ärzteeinsatzes konnte sich kein festes Stationssetting ergeben. Ein solches Setting mit regelhaften Interaktionen ist jedoch insbesondere in Psychiatrien wesentliches diagnostisches und therapeutisches Element – nicht nur für die Patienten sondern auch für die Psychohygiene der Mitarbeiter.
Aufgrund sinkender Arbeitszufriedenheit im Pflegeteam entschloss sich das Leitungsteam der Privatklinik Dr. Amelung zur Einführung eines Stationsarztsystems. Hierzu wurde die Ruhl Consulting AG als externe Begleitung zur Konzepterarbeitung sowie zur Begleitung der ersten Umsetzungsphase und des Teambildungsprozesses ab Februar 2011 von dem Leitungsteam der Privatklinik Dr. Amelung beauftragt. Durch Einsatz der Ärzte auf festen Stationen soll die Entwicklung von Stationsteams und die Übernahme von Organisationsverantwortung gefördert werden. Im Stationsarztsystem sind alle Ärzte zwei Arztgruppen zugeordnet, die von den beiden Leitenden Ärzten geführt werden. Innerhalb der jeweiligen Arztgruppe entscheiden die Leitenden Ärzte autonom. Übergreifende Entscheidungen werden jedoch gemeinsam im Leitungsteam getroffen. Die Patienteneinbestellung wurde entsprechend neu organisiert, da die Patienten nicht mehr dem „nächsten“ freien Bett zugeordnet werden, sondern bereits bei der Einbestellung einem Arzt bzw. einer Station zugeordnet werden müssen.
Zentrale Ziele des Stationsarztsystems waren die Reduzierung von Zeitfressern, um mehr Zeit für den Patienten zu haben, sowie die Verringerung der unproduktiven Laufzeiten für die Ärzte zwischen den Stationen. Aufgrund von Regelungen und Verbindlichkeiten, welche in einem Stationshandbuch festgehalten worden sind, sollte das berufsgruppenübergreifende Zeitmanagement und die Verbindlichkeit durch gemeinsame Konzentration auf das Wesentliche verbessert werden. Durch die Stärkung der Stationsteams wurde ein systematischer Informationsfluss zwischen den Berufsgruppen (Behandlungsteam aus Arzt/ Pflege/ Stationshilfen) etabliert.
Nach 4 Monaten flächenweiter Einführung des Stationsarztsystems hat dies zu einer durchgehenden Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit geführt. Ein Zusammenwachsen als Team ist auf allen Stationen wahrzunehmen. In den Feedback-Workshops herrscht eine z. T. sehr harmonische und konstruktive Arbeitsatmosphäre. Die Teams führen weiterhin mittlerweile eigenständig halbjährliche Feedbacksitzungen außerhalb des Stationsalltags durch. An der weiteren Verzahnung der Berufsgruppen, insbesondere unter Einbezug der Psychologen und Spezialtherapeuten, wird gearbeitet.
