Führungskultur im Wandel

Im Rahmen einer Studie* wurden 400 Tiefeninterviews mit deutschen Führungskräften absolviert, um ein „Bild der Führungskultur in Deutschland zu zeichnen“. In Deutschland werde überwiegend noch immer Rendite und das Effizienz-Modell gemanagt, das mit  starrer Top-Down-Linienhierarchie, Anweisung und Kontrolle einhergeht, auch verkleidet als Zielemanagement und Controlling. Gerade dieser typisch deutsche Führungsstil wurde als ein „entscheidender Nachteil im Ringen um Bindung und Gewinnung von Talenten“ identifiziert. Hierarchische Steuerung und Regelung seien „angesichts der Komplexität und Dynamik der Arbeitswelt nicht mehr angemessen“. Den sich selbst organisierende Netzwerken, in- und extern, gehöre mit ihrer kollektiven Intelligenz die Zukunft der Arbeit.   

Mitarbeitenden Orientierung  und Vertrauen geben, die ihre Motivation mehr aus Selbstbestimmung und Wertschätzung, denn aus Geld und Posten herausziehen. Chefs der Zukunft benötigten eine selbstsichere Gelassenheit, die Einsicht in die eigenen Fehler zulässt. Schon deshalb werde „persönliches Coaching“ zu einem „unverzichtbaren Werkzeug für Führung“, prognostiziert die Studie. Diese „Weiterbildung in eigener Sache“ dürfte für viele deutsche Topmanager eine ganz neue Erfahrung sein. Mit dem Übergang zur Netzwerkorganisation schwindet der selbstverständliche Schonraum hierarchischer Strukturen. Die Durchsetzung eigener Vorstellungen über Anweisungen werde immer schwieriger oder sei gar nicht mehr möglich. Durchsetzungskraft habe, was auf Resonanz treffe. Einfühlungsvermögen und Einsichtsfähigkeit werden dadurch immer wichtiger. Alle Akteure, ob nun Führungskraft oder geführte Mitarbeitende, bräuchten im Unternehmen mehr Reflexion und intensive Entwicklungsbegleitung.    

Es ist nicht verwunderlich, dass das Verständnis und die Gestaltung von Unternehmenskulturen immer mehr als strategisch wichtige Führungsaufgabe akzeptiert wird. Transparenz von Informationen, Integration unterschiedlicher Lebensent­würfe, empathische Einbeziehung von Mitarbeitenden und die Förde­rung übergreifender Kooperationen stehen weit oben auf der Wunsch­liste. Die Führungskräfte sind sich einig, dass einsame Entscheidungen und fertig ausgearbeitete Konzepte angesichts der komplexen Dynamik global vernetzter Märkte nicht mehr angemessen sind. Zunehmende Volatilität und abnehmende Planbarkeit verringern die Tauglichkeit ergebnissichernder Managementwerkzeuge. Überwiegend wird die klassische Linienhierarchie klar abgelehnt und geradezu zum Gegenentwurf von „guter Führung“ stilisiert.  

Mit diesen Studienergebnissen möchte das Projekt „Forum Gute Führung“ den Dialog entfachen. Ziel ist, Führungsverantwortliche in Deutschland dabei zu unterstützen, Führungskonzepte neu zu denken, die den komple­xen Anforderungen der modernen Arbeitswelt gerecht werden und Unter­nehmen zukunftsfähig machen. Die Ergebnisse überraschen in ihrer Deutlich­keit. Die Führungskräfte erkennen Veränderungsnotwendigkeiten und konstatieren ein Umsetzungsdefizit, über das es zu reden gilt.  

Sicherlich ist es ein weiter Weg: Ein Umdenken weg von einer Wirtschaftswelt mit einem impliziten Menschenbild, das auf Dominanzstrategien wie Härte, Hierarchie, Macht, Sieg, kurzfristigem Profit aufsetzt, hin zu Organisationsgefügen rund um Teams, Projektgruppen, Kooperationsnetzwerken, in denen eine Kultur von Wertschätzung, Respekt, Partizipation ganz freiwillig zu Leistung motiviert. Doch gerade dies ist die Basis gesunder Unternehmen und nachhaltiger Wirtschaftlichkeit, die für alle Verbindung schafft und auf lange Sicht tragen kann.

Gerade in unserer Kultur und unseren Schulsystemen sind vermutlich die meisten häufig mehr im Wettbewerb statt in Wertschätzung, Lob, Verbundenheit erzogen worden.  Umso mehr wird es Zeit, Organisationen zu schaffen, in denen Leistung Spaß macht und Sinn gibt, in denen Menschen die gleichen Werte teilen. Das Ziel sollte nicht einfach sein, Menschen einzustellen, die einen Job brauchen; sondern die Menschen einzustellen, die glauben, was Sie glauben/ Du glaubst, um gemeinsam mehr zu erreichen.  

*Studie: “Führungskultur im Wandel”, Kulturstudie mit 400 Tiefeninterviews, Forum Gute Führung der Initiative Neue Qualität der Arbeit, 2014.  
http://www.forum-gute-fuehrung.de/ergebnisse