Die Notaufnahme auf dem Weg zum Aushängeschild der klinischen Versorgung

Der Bedarf an akuter medizinischer Versorgung wird immer größer [1]. Notaufnahmen bilden die Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Versorgung, in der fast alle medizinischen Fachdisziplinen zusammenarbeiten. Doch längst nicht überall tragen Notaufnahmen als eigenständige Organisationseinheiten professionell dem heutigen Ansturm und den Anforderungen seitens der Patienten Rechnung.

Der erste Eindruck prägt: Sorgen und Nöte der Patienten ernst nehmen

Die Notaufnahme ist das Aushängeschild der Klinik: Häufig findet hier von Seiten der Patienten und deren Angehörigen der Erstkontakt mit der Klinik statt. Die Erfahrungen in der Notaufnahme werden von den Patienten den niedergelassenen Ärzten zugetragen und haben so einen wesentlichen imagebildenden Einfluss – im Positiven wie im Negativen. Die fachliche und soziale Kompetenz der Abteilung wird durch sofortige kompetente Ansprache, kontinuierliche und klare Information – insbesondere auch zu den zu erwartenden Wartezeiten – sowie durch empathische Kommunikation gegenüber der Krisensituation, die der Patient empfindet, transportiert. Ein Anspruch, der in der Realität tatsächlich viel zu oft vernachlässigt wird. Dabei bergen gerade diese Punkte großes Potential, die Patientenzufriedenheit zu steigern – wenn sich der Patient mit seinen Ängsten und Sorgen und mit kleinen Gesten der Zuwendung gut umsorgt und sicher fühlt, erzeugt das eine Qualität, welche sogar einen Imagegewinn des Krankenhauses mit sich bringen kann.

Zentrale Stressfaktoren systematisch lösen

Aus unserer Sicht gibt es drei zentrale Ursachen, warum Patienten in ihren Sorgen und Nöten nicht ernster genommen werden. In deren Zentrum stehen Flexibilität, Quantität und Qualität der Personalbesetzung: fehlendes Belastungsspitzenmanagement, fehlende unmittelbare Refinanzierung des Personaleinsatzes in der Notaufnahme und Mangel an qualifiziertem Fachpersonal. Den Schlüssel für ein besseres Management von Notaufnahmen sehen wir in der Lösung dieser Engpass- und Stressfaktoren. Es ist immer wieder zu hören, dass das Patientenaufkommen in einer Notaufnahme nicht planbar ist. Deshalb kann es zur Überschreitung von Behandlungskapazitäten kommen, wodurch die Sicherheit von Patienten gefährdet werden kann. Tatsächlich stellen wir fest, dass die Auswertungen der Uhrzeiten des Patienteneintreffens im Tagesverlauf in Notaufnahmen ähnelnde Muster aufweisen, wie die „ambulante Walflosse in der chirurgischen Notaufnahme“ zeigt.


Abbildung 1: Patienteneintreffen in einer chirurgischen Notaufnahme nach Uhrzeit (Quelle: Eigene Berechnungen)

Wiederkehrende Muster ermöglichen es, mit flexibilisiertem Personaleinsatz ein systematisches Belastungsspitzenmanagement zu betreiben. Eine darauf abgestimmte Personaleinsatzplanung führt zu einer überproportionalen Stressreduktion.

In weniger auf die Notfallversorgung ausgelegten Kliniken wird der Aufnahmebereich gerne nur mit ärztlichen Springerdiensten besetzt, weil für die Vorhaltung eines Arztes in der Notaufnahme keine Vergütung stattfindet. Die Ambulanzpauschalen sind in aller Regel so gering, dass sie nicht einmal annähernd die direkt in dem Bereich anfallenden Kosten abdecken. Die Notaufnahme stellt jedoch auch einen Hauptzubringer ökonomisch wichtiger Krankenhausfälle dar. Ein organisierter Notfallbereich hat somit einen unmittelbaren, wesentlichen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit der Gesamteinrichtung. Je höher das Zutrauen in die Einrichtung, desto höher wird auch der Zufluss an „angemessen“ vergüteten stationären Fällen sein. Entscheidend ist es also, das richtige Fachpersonal in der Notaufnahme zu haben, das im akuten Bedarfsfall den vital gefährdeten Patienten sofort und medizinisch adäquat versorgt. Ideal ist folglich eine professionell, von einem disziplinarisch fachabteilungsungebundenen Facharzt zusammen mit einer korrespondierenden pflegerischen Leitung geführte, eigenständige Notfallaufnahmeeinheit.

Ein funktionierendes Team, das fachlich und sozial hohen Kompetenzanforderungen standhält, unter Stress den Kopf behält und Hand-in-Hand arbeitet, ist gerade für den Notfallversorgungsbereich ein wichtiges Kapital der Klinik. Empathie, Freundlichkeit, Kommunikationsfähigkeit, Team-, Kritik- und Konfliktfähigkeit, Zuverlässigkeit bei gleichzeitiger professioneller Distanz und stressausgleichendem Humor sollten noch viel stärker vom Leitungsteam gefördert werden, als dies heute in der zumeist personell dürftig besetzten Notaufnahme üblich ist.

Verantwortlichkeiten klären und Verbindlichkeit für das Notfallaufnahmeteam herstellen

Um die Prozesse in der Notaufnahme zu strukturieren, Verantwortlichkeiten zu definieren und Verbindlichkeiten festzuschrieben, ist der erste Schritt, ein Organisationskonzept auszuarbeiten, welches die wichtigsten Prozesse und Regelungen beschreibt. Die Stichworte auf der Liste der ablauforganisatorischen Konzepte sind im Detail beliebig vielfältig. Gerade die pflegerische Triage leistet eine zuverlässige Erstsichtung der Patienten und filtert so Versorgungsrisiken heraus. Gleichzeitig wird das ärztliche Personal entlastet. So kann eine zügige und systematische Patientenbehandlung in der Notaufnahme besser gewährleisten werden. Das Triagierungssystem bietet den organisatorischen Rahmen, Notfallalgorithmen mit Schnittstellenpartnern der unterschiedlichen Kliniken abzubilden. Die Notfallbehandlungsabläufe können in Diagnostikprofile und Behandlungsalgorithmen weiter segmentiert werden und so Prozesse zur Diagnosefindung und Therapie abbilden. Die begleitende Einführung eines strukturierten Risikomanagements zur Erhöhung von Patienten- und Diagnosesicherheit kann die Sicherheitskultur und Behandlungsqualität der Organisationseinheit verbessern. 

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[1] Zwischen 2005 und 2010 wurde eine Steigerung um 16,6 %, d. h. um 2,5 Millionen Behandlungsfälle, auf nunmehr 16 Millionen Menschen verzeichnet, die in Deutschland in einer Notaufnahme behandelt wurden. Das entspricht fast einem Viertel der Gesamtbevölkerung. Gründe sind vielfältig: Veränderung der Altersstruktur in der Gesellschaft, Wegfall von Arztpraxen in ländlichen Regionen, steigendes Gesundheitsbewusstsein und Aufklärung. Vgl. etwa Pressemitteilung des Universitätsklinikums Aachen.

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